Kathrin Heckmann ist Deutschlands bekannteste Wanderbloggerin. Die gebürtige Münchnerin liebt Fernwanderungen und ist für ihren Blog „Fräulein Draussen“ viel unterwegs. Jetzt will sie vor allem das Münchner Umland und die Alpen wiederentdecken. Ein Gespräch über das Draußensein, die Magie der Wälder und ihre Liebe zum Nördlichen Englischen Garten.
Ich treffe Kathrin an einem heißen Junitag am Isarwehr im nördlichen Teil des Englischen Gartens. Von der Brücke aus hat man einen schönen Blick über den Fluss, eine handvoll Menschen sonnt sich im Kiesbett.Von hier aus radeln wir gemeinsam los. Die Bloggerin biegt nach wenigen Minuten auf einen schmalen Weg ein. Wunderschön ist es hier, ein bisschen wie in Tolkiens „Auenland“, denke ich mir, als wir an ungemähten Wiesen vorbeifahren und vor einer großen Eiche halten. Der perfekte Platz für ein Picknick in den frühen Abendstunden.
Auf einer großen Decke packen wir unser mitgebrachtes Essen aus: Brot, verschiedene Aufstriche, Oliven, gebratene Zucchinistreifen und gefüllte Weinblätter. Als wir uns setzen, haben wir den gleichen Gedanken: Das sollte man viel öfter machen.
Kathrin, Du hast Dir für unser Gespräch diesen Ort ausgesucht. Warum?
Wir sind im nördlichen Teil des Englischen Gartens. Hier ist viel weniger los als im südlichen. Alles wächst wild durcheinander, Bäume wechseln sich ab mit weiten Wiesen. Ich fand es schon immer unglaublich, dass so ein Ort mitten in der Stadt existiert. Das empfinde ich als ziemlich einzigartig, schließlich war ich in nur zehn Minuten mit dem Rad hier. So eine Möglichkeit bieten nicht alle Städte.
Das stimmt. Der Englische Garten gehört zu den größten innerstädtischen Parks der Welt. Aber wie ein Park fühlt sich dieser Abschnitt so gar nicht an.
Im südlichen Teil schon, aber hier im Norden haben wir einen ruhigen Stadtwald. Es gibt kaum Bänke, dafür umso mehr Trampelpfade. Man kann sich lange aufhalten, ohne das Gefühl zu haben, in der Stadt zu sein. Selbst jetzt im Sommer sind nur vereinzelt Menschen zu sehen.
„Im Studium schnappte ich mir jedes Wochenende unseren Familienhund und ging ganz unprofessionell in Baumwollleggins und Turnschuhen wandern.“
Spielte das Draußensein schon immer eine Rolle in deinem Leben?
Ich wuchs im S-Bahn-Gebiet Münchens auf. Als Kind war ich immer draußen, zog auf dem Bauernhof gegenüber Ziegen mit der Hand auf oder kletterte mit meinem Bruder auf Bäume. Als Jugendliche interessierte ich mich dann mehr für die Stadt – bis ich im Studium mit Freunden eine Wanderung auf einen Münchner Hausberg unternahm und mich daran erinnerte, wie sehr ich es liebte, draußen unterwegs zu sein.
Und wie kam es dann zu den regelmäßigen Wanderungen und dem Bloggen darüber?
Ab dem Zeitpunkt schnappte ich mir jedes Wochenende unseren Familienhund und ging ganz unprofessionell in Baumwollleggins und Turnschuhen wandern. Dann folgte meine erste Reise alleine, eine Wanderung in Schottland. Als ich im Nirgendwo mein Zelt auf einer Anhöhe aufschlug, fühlte sich das an wie ein richtiges Abenteuer. Das war toll und ich dachte mir, dass das andere vielleicht auch interessiert – deshalb gründete ich den Blog.
Ich möchte Menschen dazu motivieren, öfter ins Grüne zu gehen. Die tägliche Dosis Natur macht so viel aus. Vielen fehlt jedoch das Bewusstsein dafür. Das ist das Problem von modernen Gesellschaften.
Die letzten Jahre warst du hierfür auf der ganzen Welt unterwegs. Nun hast du vor, mehr Zeit im Umland Münchens zu verbringen. Warum?
Ich möchte einfach mehr von meiner Heimat und auch von den Alpen erkunden. Viele Blogleser fragen mich oft nach Tipps für in und um München. Was ich hier wirklich mag ist, aus der Haustür zu treten und bereits in der Natur sein zu können. Genau so, wie wir das heute eben machen.
Was fasziniert dich besonders bei deinen Ausflügen ins Grüne?
Gerade unterwegs in heimischen Wäldern denkt man oft, man würde alles kennen. Dabei sieht man meist nur das Offensichtliche, zum Beispiel die schönen Blumen am Wegesrand. Erst wenn man länger wandert, beginnt man, sich vorzuarbeiten und entdeckt mehr. Ich habe irgendwann angefangen, mich für Vögel zu interessieren und mich gefragt: Welche Arten gibt es hier eigentlich? Beispielsweise leben im Nymphenburger Schlosspark ein Eisvogel und Waldkauze. Die suche ich demnächst mal!
Apropos Tiere, hier im Nordteil zieht im Sommer eine Schafherde durch den Englischen Garten.
Ja, die treffe ich manchmal morgens beim Joggen. Das sind sozusagen die Landschaftsgärtner (lacht).
„Wer im Wald genau hinschaut, sieht, dass überall etwas passiert.“
Fühlst du dich gesünder, seitdem du viel Zeit im Wald verbringst?
Ja, es ist eine tolle Möglichkeit, dem Trubel der Stadt regelmäßig zu entkommen und ich halte das für sehr wichtig, gerade auch im Urlaub. Im Wald ist man viel weniger all den künstlichen Reizen ausgesetzt. Natürliche Einflüsse wirken beruhigend, beispielsweise weiß man, dass der Blutdruck sinkt, wenn man Baumessenzen riecht.
Wir schweigen eine Weile. Der Wind raschelt in den Blättern der Bäume, die langen Gräser wiegen sich hin und her. Mittlerweile steht die Sonne so tief, dass sie golden durch ein paar hohe Büsche scheint.
Das ist schon fast unverschämt schön, oder?
Oh ja. Wer genau hinschaut, sieht, dass überall etwas passiert. Um sich dafür zu öffnen, für alles, was der Wald bietet, muss man sich aber auch einfach mal hinsetzen und Zeit mitbringen. Und wieder lernen zu staunen.
Eine Stunde später packen wir zusammen und schwingen uns zurück auf die Räder. Wir fahren zum Aumeister Biergarten, der noch ein wenig nördlicher liegt, und trinken zwei Radler unter schattigen Bäumen. Dann fahren wir zurück zum Isarwehr, wo wir uns vor wenigen Stunden getroffen hatten.
Zum Abschied gehen wir gemeinsam runter zum Kiesbett, ziehen die Schuhe aus und waten durch das klare Wasser. Es ist so kalt, dass es schmerzt, und genau dieser Augenblick fühlt sich plötzlich ganz weit entfernt von der Stadt an. Wie ein Moment Wildnis, mitten in München.